Interessenten und Bewerber

Sie überlegen, ein Kind aufzunehmen das für eine gewisse Zeit oder sogar auf Dauer eine zweite Familie benötigt? Das ist großartig!

In den meisten deutschen Städten und Landkreisen werden dringend geeignete Pflegeeltern gesucht. Immer mehr Kinder jeden Alters, die keinen einfachen Start hatten, benötigen Familienanschluss mit liebevoller Zuneigung, Schutz, Stabilität und Aufmerksamkeit.

Mit dieser schönen und verantwortungsvollen Aufgabe werden Sie glücklicherweise nicht alleine gelassen. Denn Sie werden manchmal Beratung und Unterstützung brauchen. Deshalb haben Pflegeeltern Anspruch auf eine fachliche Begleitung durch ihr örtlich zuständiges Jugendamt bzw. einen von diesem beauftragten freien Träger der Jugendhilfe.

Zusätzlich unterstützen wir von PFAD Sie gerne mit Informationen, Fortbildungen, Beratung und als politische Interessenvertretung. Aus Erfahrung wissen wir, dass es hilfreich ist, sich frühzeitig zu vernetzen. Denn, wie sagt man so schön: Es braucht ein „Dorf“, um ein Kind großzuziehen.

Hier beantworten wir Ihnen grundsätzliche Fragen, die Sie sich vielleicht stellen.
Tiefergehende Informationen finden Sie in unserem Glossar Infos zu Vollzeitpflege.

Wie wird ein Kind zum Pflegekind?

Wenn Kinder oder Jugendliche vorübergehend oder dauerhaft nicht bei ihren Eltern leben können, sondern in anderen Familien wohnen und betreut werden, spricht man von Pflegekindern.

Alle Eltern können in Krisen selbst „Vollzeitpflege in einer anderen Familie“ als Hilfe zur Erziehung beim Jugendamt beantragen. Wird eine Kindeswohlgefährdung vermutet, kann das Jugendamt ein Kind im Rahmen einer Inobhutnahme vorübergehend unterbringen. Oder ein Familiengericht entzieht den Eltern (Teile des) Sorgerechts und der/die eingesetzte Vormund*in bzw. Ergänzungspfleger*in entscheidet sich für eine Unterbringung des Kindes in Vollzeitpflege.

Die Ursachen, warum Eltern nicht adäquat für ihr Kind bzw. ihre Kinder sorgen können, sind vielfältig. Ursachen können (psychische) Erkrankungen, eigene schwierige Sozialisationserfahrungen, familiäre Konflikte oder persönliche Krisen sein. Dies führt häufig zu einer eingeschränkten Erziehungskompetenz, unzureichender oder fehlender Förderung, Betreuung und Versorgung des Kindes und damit zu einer Gefährdung des Kindeswohl. Dadurch wird ein Eingriff des Jugendamtes erforderlich, das – wenn ambulante Hilfsangebote an die Familie nicht (mehr) ausreichen – eine sogenannte Fremdplatzierung des Kindes in die Wege leitet. Insbesondere für jüngere Kinder ist dabei die Unterbringung in einer Pflegefamilie der Heimerziehung vorzuziehen.

Was ist mit Vollzeitpflege gemeint und welche Formen gibt es?

Im Gegensatz zur Kindertagespflege ist die Vollzeitpflege eine Form von Erziehungshilfe der Jugendämter, die für den Schutz von Kindern zuständig sind. Damit werden verschiedenste Arten der Unterbringung eines Kindes bzw. jungen Menschen über Tag und Nacht in einer familiären Umgebung bezeichnet. Im engeren Sinne sind Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII und § 33 SGB VIII gemeint.

Entsprechend der weiteren Lebensperspektive des Kindes unterschiedet man Bereitschaftspflege, Kurzzeitpflege, Dauerpflege sowie Gastfamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach dem Grad der Verbindung zur Pflegefamilie kann man differenzieren in Verwandten- bzw. Netzwerkpflege oder Fremdpflege. Je nach Bedarf des Kindes gibt es private Pflegefamilien, sozial-, sonder- oder heilpädagogische Pflegestellen sowie Erziehungsstellen. Nach den rechtlichen Gegebenheiten kann Vollzeitpflege erfolgen als Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige, im Rahmen einer Inobhutnahme, im Rahmen eines privaten Pflegeverhältnisses oder als Adoptionspflege.

Wer darf sich bewerben?

Um möglichst die richtige Familie für jedes familienbedürftige Kind zu finden, ist es gut wenn die Jugendämter möglichst viele unterschiedliche Bewerberfamilien zur Auswahl zu haben.

Gesucht werden geeignete Personen unabhängig von Alter, Familienstand, Ausbildung, Nationalität oder Herkunft. Ob man bereits Kinder hat oder nicht, ist auch nicht entscheidend.

Pflegefamilien mit Migrationshintergrund sollten einen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland haben und die deutsche Sprache beherrschen. Einzelpersonen müssen über ein stabiles soziales Netzwerk verfügen. Für ältere Kinder und Jugendliche können auch schon ältere Bewerber*innen mit Erziehungserfahrungen genau die Richtigen sein.

Welche Kompetenzen sollte man mitbringen?

Wichtigste Voraussetzung ist die Freude am Zusammenleben mit Kindern und die Fähigkeit, ihnen Zuneigung, Verständnis, Zeit und viel Geduld entgegenbringen zu können. Pflegeeltern sollten in der Lage sein Grenzen zu setzen und Grenzen zu respektieren. Was Pflegekinder benötigen ist …

  • Schutz
  • Stabilität
  • Zuverlässigkeit
  • Vertrauen
  • Zugehörigkeit

Um dem Kind weitere Beziehungsabbrüche zu ersparen, sollte man bereit sein, es über einen langen Zeitraum, ggf. bis zur Verselbständigung und auch noch darüber hinaus begleiten zu wollen. Denn im besten Fall binden sich die Kinder an ihre zweite Familie und können ihre seelischen Wunden mit neuen heilenden Erfahrungen überwinden.

In den Fällen, in denen die Eltern der Pflegekinder Hilfen annehmen und sich soweit stabilisieren, dass sie ihre Kinder wieder selbst gut betreuen können, sollen Pflegeeltern das Kind auch wieder loslassen können.

Eine pädagogische Ausbildung ist keine Voraussetzung für Pflegeeltern. Doch sind – auch noch nach dem Vorbereitungskurs – der Besuch von Weiterbildungen, bei denen man sein Erziehungsverhalten reflektieren und etwas Neues dazulernen möchte, sowie der kollegiale Austausch mit anderen Pflegeeltern immer hilfreich.

Welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt sein?

Es gibt einige formelle Kriterien, die Pflegeelternbewerber*innen erfüllen müssen. Je nach Jugendamt können diese etwas abweichen.

In der Regel müssen Sie geordnete wirtschaftliche Verhältnisse und ausreichend Wohnraum nachweisen. Vorzulegen sind ein erweitertes Führungszeugnis und ein ärztliches Attest.

Eine Berufstätigkeit ist prinzipiell kein Hinderungsgrund für die Aufnahme eines Pflegekindes. Jedoch muss unbedingt berücksichtigt werden, dass dem Kind vor allem in der Anfangsphase genug Zeit für die Eingewöhnung und den Aufbau einer Bindung an die neuen Bezugspersonen gegeben wird.

Auf welche Anforderungen müssen sich Pflegeeltern einstellen?

Bevor Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien vermittelt werden, hat ein großer Teil von ihnen schon negative Erfahrungen machen müssen. Vor allem das Versagen elterlicher Fürsorge hat Auswirkungen auf die betroffenen Kinder – je jünger sie sind, desto stärker. Vernachlässigung und Gewalterfahrungen wirken sich auf die kindliche Psyche aus und begünstigen zusammen mit genetischen Faktoren oder pränatalen Einflüssen Entwicklungsauffälligkeiten, seelische Probleme, psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten. Mitunter kann dadurch auch der Beziehungsaufbau zu den Pflegeeltern erschwert werden. Manche Kinder haben Behinderungen oder chronische Krankheiten. Nicht immer ist bei der Vermittlung schon bekannt, welche Belastungen ein Kind mit sich trägt.

Viele Pflegeeltern machen die Erfahrung, dass die Kinder sich in der Anfangsphase in ihrer neuen Familie überraschend angepasst und unauffällig verhalten. Unerfahrene Pflegeeltern verbuchen das gerne als Bestätigung dafür, dass das Kind sich von Anfang an bei ihnen wohlfühlt und sie alles richtig gemacht haben. Umso überraschender ist dann der Schreck, wenn ein Kind nach einiger Zeit „schwieriger“ wird. Doch das ist ein gutes Zeichen! Das Kind hat nun genug Vertrauen in der neuen Familie gefasst, um seine Probleme zeigen zu können.

Zusätzlich zur Eingewöhnung in eine neue Familienkultur, müssen alle Pflegekinder die Trennung von ihrer Familie und ihrem vertrauten Umfeld verkraften. Man spricht davon, dass sie mehr Entwicklungsaufgaben bewältigen müssen, als andere Kinder.

Deshalb müssen Pflegefamilien Toleranz, Offenheit und Geduld mitbringen und belastbar sein. Sie sollen bereit sein, mit Fachleuten zusammenzuarbeiten und sich weiterzubilden.

Zum Wohl des Kindes ist es auch erforderlich, den Eltern des Kindes grundsätzlich Wertschätzung entgegenbringen zu können und – wo immer möglich – mit ihnen zu kooperieren.

Gerade diese belasteten Kinder brauchen eine zweite Familie. Sie haben verdient, dass neue, verantwortungsvolle Menschen in ihr Leben treten, sie gut begleiten, ihre Stärken fördern und sie liebhaben.

Welche Leistungen können Pflegefamilien erhalten?

Beratungsanspruch
Pflegeeltern haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch Ihr zuständiges Jugendamt. Eine professionelle Begleitung durch einen Fachdienst des Jugendamtes oder eines von diesem beauftragten freien Trägers fördert die Beziehung zwischen dem Pflegekind und seinen Pflegeeltern, trägt zu einem gelingenden Pflegeverhältnis bei und gewährleistet den Schutz des Kindes.

Pflegegeld
Pflegeeltern erhalten vom Jugendamt ein monatliches, steuerfreies Pflegegeld. Dieser Betrag ist abhängig vom Alter des Kindes, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und deckt dessen Unterhalt (Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Bekleidung und weitere Bedürfnisse). Das Pflegegeld enthält auch einen Anteil für den Erziehungsaufwand der Pflegeeltern. Die Höhe des Pflegegeldes variiert je nach Bundesland und Kommune. Es gibt jährlich neue Empfehlungen für die Höhe des Pflegegeldes, die viele, aber nicht alle Kommunen übernehmen.

Beihilfen und Zuschüsse
Zu besonderen Anlässen kann man zusätzlich bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe des zuständigen Jugendamtes Beihilfen und Zuschüsse beantragen. Da dies freiwillige Leistungen sind, variieren die Voraussetzungen und Höhen je nach Stadt bzw. Landkreis. Typische Anlässe sind z.B.

  • Erstausstattung, zusätzliche Einrichtungsgegenstände für den Einzug des Pflegekindes
  • Kommunion, Konfirmation, Jugendweihe
  • Nachhilfeunterricht
  • Sport, Musik
  • Einschulung, Weihnachten
  • Klassenfahrten, Urlaubsreisen
  • Führerschein

Unfallversicherung und Altersvorsorge
Zusätzlich zum Pflegegeld werden für jeden betreuenden Pflegeelternteil nachgewiesene Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung übernommen, die sich an der gesetzlichen Unfallversicherung orientieren.
Pro Pflegekind kann ein Pflegeelternteil auch einen Zuschuss zur Alterssicherung in Höhe des hälftigen Beitrags der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, wenn er/sie die andere Hälfte selbst trägt. Je nach Jugendamt können die Konditionen für diese Unterstützungen unterschiedlich sein.

Kindergeld
Pflegeeltern erhalten dann Kindergeld, wenn sie mit Ihrem Pflegekind familienähnlich und auf längere Dauer zusammenleben und kein Obhuts- und Betreuungsverhältnis mehr zu den leiblichen Eltern besteht.

Elternzeit
Pflegeeltern haben pro Kind Anspruch auf bis zu 3 Jahre Elternzeit, jedoch nur bis zum 8. Geburtstag des Kindes.

Elterngeld
Pflegeeltern erhalten kein Elterngeld, da sie bereits Pflegegeld beziehen. Die Bundesregierung plant jedoch, dies zu ändern.
Einzelne Kommunen zahlen bereits freiwillig “elterngeldähnliche Leistungen”.

Eingliederungshilfe für Pflegekinder mit Behinderung
Wurde beim Pflegekind eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung festgestellt oder ist es davon bedroht, können die Pflegeeltern Eingliederungshilfe für Ihr Pflegekind bekommen. Diese ist dafür da, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu mildern oder zu beseitigen. Ziel der Eingliederungshilfe ist, dass das Pflegekind an der Gesellschaft teilhaben kann.

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