Erfahrungsberichte
Kurzzeitpflege – Hilfe, wenn Eltern zeitweise ausfallen
Erfahrungsbericht 1:
Die Mitarbeiterin des Jugendamtes beschrieb ein kleines Mädchen mit 18 Monaten, deren Mutter wegen einer psychischen Krankheit einen längeren Krankenhausaufenthalt vor sich hatte und eine Betreuung während dieser Zeit suchte. Der berufstätige Vater brachte die kleine Silvia und erzählte uns etwas von den Gewohnheiten des Kindes. Silvia interessierte sich für meine dreijährige Tochter und den fünfjährigen Sohn und schaute sich in den Kinderzimmern um.
Dann kam der Moment des Abschieds. Der Vater verabschiedete sich vom Kind und verschwand durch die Haustür. Sofort reagierte Silvia mit einem herzzerreißenden Weinen. Das erste Mal ohne Mama und Papa. An der Tür, durch die ihr Vater verschwand, stand sie weinend. Wenn ich auf sie zuging, weinte sie noch heftiger. Sie war nicht zu beruhigen. Soll ich den Vater informieren, dass er Silvia wieder abholen muss? Nach einiger Zeit schickte ich die Kinder vor. Sie reichten ihr Kuscheltiere zum Trösten. Nach und nach beruhigte sie sich und ergab sich ihrem Schicksal. Ich konnte sie auf den Arm nehmen und in unsere Familie integrieren. Sie blieb fünf Monate bei uns und sagte mittlerweile Mama zu mir.
Als das Ehepaar ihre Tochter abholte, fremdelte Silvia mit ihrer Mutter. Bleibt sie jetzt bei mir, kann ich mich auf sie verlassen? Diese fünf Monate waren ein einschneidendes Erlebnis für die Familie.
Erfahrungsbericht 2:
Die Vorsitzende eines benachbarten PFAD Ortsvereins wurde von ihrem Jugendamt angesprochen, ob sie nicht eine Pflegefamilie kenne, die einen kleinen Jungen von fünf Monaten vorübergehend in Wochenpflege betreuen kann. Es war kein Jugendhilfefall, sondern eine Maßnahme der Krankenkasse für eine intakte, aber aktuell belastete junge Familie. Die Mutter brauchte aus gesundheitlichen Gründen eine kurzfristige Entlastung.
In ihrem Verein hatte meine Kollegin wegen der anstehenden Sommerferien leider niemanden für das Kind finden können. Deshalb nutzte sie unser PFAD Netzwerk und fragte auch bei den umliegenden Gruppen nach. Schließlich erklärten wir uns bereit auszuhelfen, da wir nicht planten im Urlaub wegzufahren.
Obwohl die junge Familie recht weit von uns entfernt wohnte, waren sie sehr froh, dass doch noch eine erfahrene Pflegefamilie gefunden wurde. Sie lernten uns bei einem Besuch zuerst einmal kennen, bevor sie uns ihr Baby anvertrauten.
Der kleine Junge war sehr ausgeglichen und pflegeleicht. Man merkte, dass sich seine Eltern bestens um ihn gekümmert hatten. Für die Wochenenden holten sie das Kind zu sich und brachten es uns dann wieder. Wir übernahmen seine Versorgung sechs Wochen lang.
Ich hatte den Eindruck, dass der Kleine in der ersten Zeit alles bei uns sehr spannend und interessant fand. Doch nach einiger Zeit spürte ich, dass er doch ins Grübeln kam und verunsichert wurde. Die Umgebung war dann nicht mehr so neu und ablenkend. Er vermisste zunehmend seine Eltern und gewohnte Umgebung. Darum war es gut, als er wieder ganz nach Hause konnte. Dieses Hin und Her ist auf Dauer belastend für ein so kleines Kind, dem man die Umstände ja noch gar nicht erklären kann und für das sechs Wochen unendlich lang und nicht zu überblicken sind.
Für uns war es schön, vorübergehend nochmal ein Baby zu betreuen, auch wenn unsere Familienplanung längst abgeschlossen war. Vor allem unsere jugendlichen Töchter fanden den kleinen Besucher sehr goldig und haben mich bei seiner Versorgung bereitwillig unterstützt und sicher manches dabei lernen können.
Wir haben dieser Familie gerne ausgeholfen. Die Mutter konnte sich in dieser Zeit erholen. Die Eltern waren für die Entlastung sehr dankbar und haben viele weite Fahrwege zu uns dafür in Kauf genommen.
Ich finde es gut, dass es die Möglichkeit der Kurzzeitpflege über die Krankenkassen oder manchmal auch über Jugendämter gibt. So können Eltern, die kein eigenes familiäres oder soziales Netzwerk haben, das sie entlasten kann, vorübergehend Unterstützung durch erfahrene Pflegefamilien bei der Vollzeitbetreuung ihrer Kinder erhalten.