Mit folgendem Brief wenden wir uns an die Bundestagsparteien:
Sehr geehrte Damen und Herren vom Parteivorstand xx,
als PFAD Bundesverband, der Fachverband für Adoptiv- und Pflegekinder, möchten wir uns mit einer bedeutsamen Bitte an Sie wenden. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 haben wir eine Reihe von Anregungen formuliert, die die Bedürfnisse und Rechte von Adoptiv- und Pflegefamilien in den Mittelpunkt rücken.
Adoptiv- und Pflegefamilien übernehmen eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft. Sie bieten Kindern, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen können, Stabilität, Geborgenheit und Perspektiven für eine positive Entwicklung. Dennoch erleben wir, dass diese Familien in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen oft übersehen werden – obwohl sie täglich immense Herausforderungen meistern und wertvolle Arbeit leisten.
Wir sind überzeugt, dass es dringend notwendig ist, diese Familien stärker in den Fokus zu rücken, um ihnen die Wertschätzung und Unterstützung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Ihre Partei hat die Möglichkeit, im Rahmen ihres Wahlprogramms Zeichen zu setzen und die Bedürfnisse von Adoptiv- und Pflegefamilien gezielt aufzugreifen.
Gerne stehen wir Ihnen für ein Gespräch oder die Zusendung weiterer Informationen zur Verfügung.
Anregungen des PFAD Bundesverbandes für die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2025
Soziale Unsicherheit und der Eindruck nicht funktionierender öffentlicher Infrastrukturen verschärfen die Demokratiefeindlichkeit und untergraben den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir beobachten Angst vor Abstieg und Armut bis weit in die Mittelschicht hinein. Das betrifft auch Pflege- und Adoptivfamilien. Jährlich fehlen alleine ca. 4.000 neue Pflegefamilien, um zumindest kleine Kinder von 0-6 Jahren in familiären Strukturen unterbringen zu können. Das Gebot der Stunde lautet also, alles zu tun was soziale Sicherheit und das Funktionieren der öffentlichen Jugendhilfe stärkt und alles zu unterlassen, was sie schwächt.
Vorauszusehen ist, dass eine dauerhafte Unterversorgung immense Kosten nach sich ziehen wird und dringend benötigte, zukünftige Potentiale nicht nur nicht erreicht werden können, sondern diese Spätfolgen wiederum mit erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden beziffert werden müssen. Bezogen auf die Kinder, die zeitweise oder auf Dauer nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben können und in Pflege- oder Adoptivfamilien aufwachsen, ergeben sich folgende Themen:
Inklusive Umgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe
Im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde festgelegt, dass die Gesamtzuständigkeit für junge Menschen mit und ohne Behinderung unter dem Dach des SGB VIII ab 2028 gelten soll. Voraussetzung ist ein Bundesgesetz, welches die Gesamtzuständigkeit des SGB VIII regelt. Der Ansatz eines inklusiven SGB VIII wird mittlerweile von allen Akteur:innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe als fachlich richtig und notwendig eingeschätzt. In der UN Kinderrechtskonvention wird dies auch gefordert.
Bei der Umsetzung des Ansatzes inklusives SGB VIII ist aus den Erfahrungen des Bundesteilhabegesetzes zu lernen. Seine Webfehler sollten nicht wiederholt werden. Das heißt u. a., dass die Kosten, die die Herstellung der Gesamtzuständigkeit und die inklusive Weiterentwicklung des SGB VIII verursachen, anzuerkennen sind und der Bund sich an den entstehenden Kosten beteiligt.
Elterngeld für Pflegeeltern
Bisher waren Pflegeeltern von der sehr erfolgreichen Familienleistung Elterngeld ausgeschlossen. Gleichzeitig wird aber erwartet, dass sie Elternzeit nutzen, wenn sie ein Pflegekind neu in ihre Familie aufnehmen. Familienpolitik orientiert sich noch immer vorrangig an Familien mit einem Alleinverdiener und trägt den gesellschaftlichen Realitäten von heute zu wenig Rechnung. Hier besteht ein dringender Nachholbedarf, der kommunale Kassen entlasten kann und für viele Kinder den Start in ein Leben in einer Familie ermöglicht. Schon seit der 19. Legislatur ist Elterngeld für Pflegeeltern ein Thema.
Bereitschaftspflege strukturell absichern
Die Bereitschaftspflege ist eine wichtige Aufgabe, bei der Kinder in akuten Krisensituationen vorübergehend in Pflegefamilien untergebracht werden Bereitschaftspflege zählt zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Pflegekinderhilfe. Die persönlichen und fachlichen Anforderungen an Bereitschaftspflegepersonen sind hoch. Bereitschaftspflege ist kaum mit einer gleichzeitigen Erwerbstätigkeit vereinbar. Die strukturelle Ausgestaltung dieser Leistung entspricht nicht den damit verbundenen Anforderungen. Sowohl die Pauschale für die Erziehungsarbeit und Kooperation mit der Jugendhilfe als auch die Altersvorsorge in diesem Bereich sind bedarfsgerecht zu entwickeln. Daher fordern wir die Rahmenbedingungen für Pflegefamilien in der Bereitschaftspflege zu verbessern und die Versicherungszeiten in der Rentenversicherung für die Bereitschaftspflege einzuführen.
Altersarmut von Pflegefamilien verhindern
Pflegefamilien sind eine wichtige Ressource der Kinder- und Jugendhilfe. Ihr oft sehr langfristiger Einsatz für belastete und vorgeschädigte Kinder und Jugendliche eröffnet diesen die Chance, in der Geborgenheit und Verlässlichkeit einer anderen Familie aufwachsen zu können. Dieser wertvolle Dienst an unserer Gesellschaft muss durch einen reellen Beitrag zur Rentenversicherung gesichert und gewürdigt werden. Die Regelung aus § 39 Absatz 4 Satz 2 darf nur über Angemessenheit begrenzt werden. Wobei Angemessenheit in diesem Kontext die Unabhängigkeit von Grundsicherung im Alter beinhalten muss.
Einhaltung der Rechte aus der UN Kinderrechtskonvention
Entsprechend Artikel 3 Absatz 2 verpflichteten sich die Vertragsstaaten, alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen zu treffen, die für den Schutz und das Wohl des Kindes notwendig sind. Dazu gehört entsprechend Artikel 7 das Recht des Kindes auf eine Staatsangehörigkeit. Aktuell leben in Deutschland viele Kinder, denen dieses Recht verwehrt wird und die deshalb eine ungesicherte Zukunftsperspektive haben. Hier ist in Zusammenarbeit unterschiedlichster Bereiche eine Regelung für einen zumindest vorläufigen Rechtsstatus für diese Kinder zu entwickeln und auch umzusetzen.
Selbsthilfe
Selbsthilfe bedeutet, die eigenen Probleme und deren Lösung – mithilfe der Unterstützung von Gleichbetroffenen – selbst in die Hand zu nehmen, und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Lösungen zu finden. Die Selbsthilfe wird deshalb als wichtige Säule nicht nur im deutschen Gesundheitssystem wahrgenommen. In Deutschland engagieren sich in der Selbsthilfe etwa 3,5 Millionen Menschen, sie werden unterstützt von Selbsthilfeorganisationen. Das Engagement der Selbsthilfeaktiven im gesundheitlichen Kontext wird finanziell durch die Krankenkassen nach § 20h SGB V gefördert.
Für Engagierte in der sozialen Selbsthilfe, die nur mittelbar einen Bezug zur gesundheitlichen Selbsthilfe hat, gibt es keine gesetzliche Finanzierungsgrundlage.
Es fehlt eine gesetzliche Grundlage für die Finanzierung sozialer Selbsthilfe. Eine nachhaltige Unterstützung ist hier dringend erforderlich, um das Engagement in diesem Bereich langfristig zu sichern.
Gern steht Ihnen der PFAD Bundesverband für Fragen und Informationen zur Verfügung: info@pfad-bv.de
PFAD Bundesverband e.V. am 25.11.2024